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Der Mann mit der Kelle

VON BERNHARD HONNIGFORT

Dresden. Als Temperamentsbolzen ist Thomas Jurk bislang nicht aufgefallen. Sachsens Verkehrsminister und SPD-Landeschef verstrahlt eher die Gemütlichkeit einer schweren Standuhr. Aber Montagabend, da ist es mit dem 45-jährigen Politiker aus Weißkeißel in Ostsachsen durchgegangen: "Eine Riesendummheit, was für eine Eselei", ärgerte er sich hinterher.

Auf der Autobahn 13 zwischen Berlin und Dresden war es. Jurk und sein Fahrer waren auf dem Weg nach Hause, als im Brandenburgischen ein Motorradfahrer nervte. Der Mann auf der schwarzen Suzuki überholte sie rechts, der Mann bremste sie aus, der Mann fuhr dicht auf. Und Jurks Fahrer, selbst ein passionierter Motorradfahrer und seinem Chef temperamentsmäßig weit überlegen, spielte das Spielchen mit: Fuhr dicht auf, bremste aus, zog davon. Ein Kleinkrieg über 15 Kilometer.

Bis der Verkehrsminister höchstselbst zur roten Kelle griff, das Fenster öffnete und den nervigen Motorradfahrer stoppte. Der setzte seinen Helm ab und entpuppte sich als 59-jähriger Herr mit grauen Haaren aus dem Dorf Ortrand, der sich, wenn er nicht gerade auf der Autobahn Minister jagt, in der Pflege von Kriegsgräbern hervortut. Beide Fahrzeuglenker blafften sich an, während der Herr Minister aus Sicherheitsgründen mucksmäuschenstill im Dienst-Phaeton hocken blieb. Von wem er da rausgewunken wurde, erfuhr der Motorradfahrer in der Nacht nicht.

Nächster Tag: allseitig Reue. Der Motorradfahrer weiß immer noch nicht, wem er auf die Nerven ging. Er weiß nur: Es war ein "Bonzenauto" mit Görlitzer Nummer. Er ruft die Dresdner Landesregierung an, wird weitervermittelt zur Bürgerbeauftragten, die aus dem nächtlichen Vorfall einen behördlichen Vorgang macht und im Innenministerium nachfragt. Dort weiß man, wem das Bonzenauto gehört, ruft den Minister an, der daraufhin rot wie seine Kelle wird und sofort den Motorradraser anruft und sich bei ihm entschuldigt, während der, mittlerweile auch klein mit Hut, selbst Entschuldigungen stammelt.

Amtsanmaßung ist strafbar

Nachdem sich beide ausgiebig entschuldigt haben, ist die Sache aber nicht aus der Welt. Denn der behördliche Vorgang der Bürgerbeauftragten mündete in einer Ermittlung gegen den Hilfspolizisten Jurk, weil der keine Kelle schwingen durfte. Das dürfen nur richtige Verkehrspolizisten, aber nicht ein Verkehrsminister. Tut er es doch, heißt das Amtsanmaßung. Jetzt prüft die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft.

Eine Frage bleibt: Wieso hat ein Minister eine Polizeikelle im Auto, wenn weder er noch sein Fahrer sie schwingen dürfen? "Die Kelle ist ein Überbleibsel aus Biedenkopf-Zeiten", sagt ein Regierungsmann. Alle Ministerautos hätten sie. Wenn Dresdner Minister in Berlin zu tun hätten und keinen Parkplatz fänden, was nicht so selten sei, dann parkten sie einfach irgendwo und legten die Polizeikelle vorne aufs Armaturenbrett. Vorbeikommende Politessen wüssten dann: "Aha, einer von uns." Und es gebe kein Knöllchen.
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